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Nähen aus Liebe: Tetiana Petryk sitzt hinter ihrer Nähmaschine

Nähen aus Liebe: Tetianas Weg zurück ins Leben

Eine Bombe nahm Tetiana das Haus und ihren Mann. Ihr Mann Viktor gab sein eigenes Leben, um das seines Enkels zu retten. Die schwer traumatisierte Krankenschwester aus der Ukraine lebt nun allein in einem Holzanhänger und näht — Schuhsohlen für „die Jungs an der Front“ — aus Liebe. Lest ihre bewegende Geschichte hier!

TETIANA NÄHT SCHUHSOHLEN FÜR MILITÄRANGEHÖRIGE

Nicht aus Rache, sondern aus Liebe

Eine Bombe auf ihrem Haus zerstörte das Leben von Tetiana. Ihr Mann rettete ihren Enkel, starb aber selbst. Erst zwei Monate später konnte Tetiana ihn beerdigen. Die schwer traumatisierte ukrainische Krankenschwester lebt nun in einem Holzanhänger, in dem sie warme Schuhsohlen für die Jungs an der Front näht. Ein Hoffnungsschimmer leuchtet neben dem Wohnwagen, wo ihr Haus mithilfe von ZOA wieder aufgebaut wird.

Konzentriert bedient Tetiana Petryk (54) ihre Nähmaschine. Langsam aber sicher wächst der Stapel an Einlegesohlen neben ihr. Die sind schön warm, für die armen Jungs an der Kaltfront, sagt sie. Es ist, als würde sie mit dem Mann auf dem Bild sprechen, der neben der Nähmaschine steht. Es ist Viktor, ihr Mann. Er starb Ende Februar letzten Jahres, als die Russen ihr Dorf Kyinka bombardierten.

Eine der Flugzeugbomben traf ihr Haus, als Viktor gerade mit seinem zweijährigen Enkel darin spielte. Er warf seinen Körper wie einen schützenden Mantel über seinen Enkelsohn. Riesige Raketensplitter trafen Viktors Rücken. Er war auf der Stelle tot. Aber sein Enkel blieb unverletzt.

Tetiana neben in ihrem neuen Haus, welches sich im Bau befindet

2 lange Monate 

Das Geräusch der Nähmaschine erfüllt den kleinen Holzanhänger, während Tetiana einen Moment lang schweigt. Es kostet sie sichtlich Mühe, die Erinnerung an jene schrecklichen Tage wieder aufzurufen. Jene furchtbaren Tage, an denen Russland den Krieg mit ihrem Land begann. In denen ihr Dorf in der Region Tschernihiw zum Ziel wurde.

Ich war zu dem Zeitpunkt in Kiew, sagt sie. Ich habe dort im Krankenhaus als Krankenschwester gearbeitet. Normalerweise ging ich nur für eine Woche dorthin, um Schichten zu übernehmen und kam dann wieder nach Hause zurück. Doch diesmal konnte Tetiana nicht nach Hause gehen. Die Brücken, die sie überqueren musste, waren zertrümmert worden. Die andauernden Kämpfe in der Nähe von Tschernihiw machten es unmöglich.

Die Wartezeit war lang. Zu lange. Erst nach zwei Monaten konnte Tetiana von Kiew nach Kyinka reisen, um ihren Mann nach seiner Rückkehr zu beerdigen. Voller Trauer schloss sie ihre Tochter und ihren Enkel in die Arme. Doch Viktor war nicht mehr da. Mit ihrem Zuhause war auch ihr ganzes Leben zerbrochen.

Nähen aus Liebe: Tetiana guckt in die Kamera

Hoffnungsschimmer

Ich kann nicht mehr arbeiten, sagt Tetiana. Das Trauma, das ich habe, dagegen kann kein Psychologe mehr etwas tun.“ Auch bleibt ihr kaum Zeit, irgendetwas zu verarbeiten. Neben dem Wohnwagen, den sie von einem Dorfbewohner bekommen hat, arbeiten die Leute hart daran, Tetianas Haus wieder aufzubauen. Mit Geld von ZOA arbeiten Menschen aus ihrer Gemeinde daran, ein neues Haus für sie zu bauen. Ein Ort, an dem sie ihre Familie aufnehmen kann und an dem sie den Winter über warm bleibt.

Die Arbeiten gehen gut voran: Die Wände sind errichtet und das Dach ist geschlossen. Morgen werden sie kommen und die Heizung installieren, sagt Tetiana. Für einen kurzen Moment erscheint ein Hoffnungsschimmer auf ihrem zerbrechlichen Gesicht. Sie geht hinaus und zeigt stolz ihr neues, im Bau befindliches Haus. Hier wird das Wohnzimmer sein, und hier die Küche, sagt sie. Ohne die Hilfe von ZOA wäre das unmöglich gewesen. Ich bin so dankbar dafür.

Zurück im Wohnwagen, nimmt sie wieder hinter ihrer Nähmaschine Platz. Ein elektrischer Ofen sorgt dort für Wärme  zumindest, wenn Strom vorhanden ist. Tetiana näht Fußsohlen für die ukrainischen Soldaten. Und gemeinsam mit anderen Frauen aus dem Dorf kocht sie auch für sie. Nicht aus Rache für den Verlust ihres Mannes, sagt sie. Die armen Jungs müssen in der Kälte kämpfen. Ich kann nicht viel tun, nach allem, was ich durchgemacht habe. Aber nähen kann ich. Deshalb tue ich es, einfach aus Liebe.

Tetiana näht

Wie wir in der Ukraine helfen

ZOA agiert als Teil des christlichen Nothilfeclusters (Christian Relief Cluster), einem Zusammenschluss einer Gruppe Hilfsorganisationen (Dorcas, EO Metterdaad, Come over and help, Save a Child, Tearfund, Woord en Daad und ZOA). Bei größeren Katastrophen und Krisen können alle Organisationen schnell mit einer gemeinsamen Nothilfeaktion aktiv werden. So auch in der Ukraine. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen arbeiten wir vor Ort zusammen, um schnell und effektiv Hilfe leisten zu können.

Helfer vor Ort unterstützen   Infos zur Nothilfe in der Ukraine