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Bootflüchtige fliehen aus Tigray

Was ist los in Tigray?

Tigray dominiert die Nachrichten mit Geschichten von Gewalt  und Mord. Hunderttausende Äthiopier sind geflohen, viele haben den Fluss in den Sudan überquert.

Die Hintergründe des Konflikts

Doch was ist zurzeit in Tigray los?

ZOA-Mitarbeiter Hielke Zantema ist kürzlich aus Tigray zurückgekehrt und spricht von einer turbulenten Situation. Doch was ist zurzeit in Tigray los? Wir haben die Hintergründe des Konflikts für Sie zusammengestellt.

1. Wie ist der Konflikt in Tigray entstanden?

Die Spannungen zwischen der Regionalregierung von Tigray und der äthiopischen Zentralregierung wuchsen bereits seit Monaten an. Anfang November eskalierte die Situation nach einem gewaltsamen Angriff auf einen Stützpunkt der äthiopischen Armee. Es kam zu Kämpfen zwischen der nationalen und regionalen Armee. Daraufhin wurde der Notstand ausgerufen und die regionalen Verteidigungskräfte (TPLF) zum Feind erklärt. Die TPLF, die Partei, die in Äthiopien seit fast dreißig Jahren an der Macht ist, will nun die Macht wiederherstellen und ein autonomes Tigray schaffen. Unser ZOA-Mitarbeiter Hielke erzählt: „Der Auslöser waren die geplanten Wahlen in Tigray, die wie überall in Äthiopien wegen Corona verschoben wurden. Doch die TPLF ließ sie stattfinden. Niemand konnte vorhersehen, dass die Dinge so aus dem Ruder laufen würden.“

2. Was hat sich in den letzten Monaten getan?

Truppen aus dem benachbarten Eritrea, amharische Milizen – aus der südlichen Nachbarprovinz Tigray – und andere Splittergruppen schlossen sich dem Kampf an. Inzwischen kontrollieren sie einen Teil des Gebietes. Hunderttausende Äthiopier sind vor Gewalt und Plünderungen geflohen. Viele brachen in großer Eile auf und ließen daraufhin alles hinter sich. Viele Geschichten über die Aktivitäten der Kriegsparteien sind noch unbestätigt. Auch die Banken sind – noch – geschlossen und die Versorgung mit Lebensmitteln ist eingeschränkt. Millionen von Menschen in Tigray können wegen des Mangels an Nahrung und Wasser kaum überleben. In der Provinz ist der Zugang für Journalisten und Beobachter eingeschränkt; es gibt jedoch Zeugen. Hielke erzählt: „Sie wollen keine neugierigen Blicke. Ich kam an viele Kontrollpunkte und wurde befragt, was ich hier zu suchen habe.“

Frauen fliehen mit Ihren Kindern aus Tigray

3. Ist ZOA nicht bereits in Äthiopien?

Das ist richtig, ZOA arbeitet seit 1993 in Äthiopien. Wir bieten Unterstützung für Flüchtlinge, Vertriebene und die gefährdete lokale Bevölkerung. Äthiopien nimmt viele Flüchtlinge aus Nachbarländern wie Eritrea, Südsudan und Somalia auf. In den nördlichsten Lagern in Tigray befanden sich hauptsächlich eritreische Flüchtlinge. Hielke erklärt: „Zwei der vier Lager – in denen insgesamt 96.000 eritreische Flüchtlinge untergebracht waren – sind wahrscheinlich inzwischen leer; wohin diese Menschen geflohen sind, weiß niemand. In Hitsats wurde unser Büro geplündert und unser Kollege wurde Ende letzten Jahres getötet.“ Aufgrund der unsicheren Situation konnte ZOA dieses Lager noch nicht besuchen und wir müssen uns auf die Geschichten verlassen, die wir hören. Der Konflikt in Tigray kommt erschwerend zu der COVID-19-Pandemie und einer Heuschreckenplage im vergangenen Jahr hinzu.

4. Warum fliehen die Tigrayer nicht in sichere Gebiete außerhalb von Tigray?

Äthiopien ist ein Flickenteppich von Völkern und Gruppierungen, und Tigrayer sind nicht überall willkommen. Es gibt viele ethnische Konflikte. Zusätzlich ist das Land ist anfällig für Dürren, Überschwemmungen und Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Das bringt die sozialen Beziehungen ins Wanken. Von einer Bevölkerung von 7 Millionen Tigrayern sind zurzeit schätzungsweise 500.000 Menschen auf der Flucht. Etwa 70.000 sind bereits in den Sudan geflohen. „Diesen Flüchtlingen und Vertriebenen fehlt es wirklich an allem: an sauberem Trinkwasser, Nahrung, Unterkunft, Kleidung und Matratzen zum Schlafen. Die Menschen sind seit Tagen zu Fuß unterwegs und sitzen unter miserablen Bedingungen in verlassenen Schulgebäuden oder schlafen unter freiem Himmel.“, erzählt Hielke.

Familie aus Tigray sucht Schatten unter einem Baum

5. Was kann ZOA tun?

Das ZOA-Team hat ein Nothilfebüro eingerichtet. Gemeinsam mit dem lokalen Team ist es Hielke gelungen, unsere Mitarbeiter vor Ort von der Stadt Shire in die Hauptstadt Mekelle zu verlegen. Zudem koordinierte er Aktivitäten mit anderen Hilfsorganisationen, wie z.B. der UN. „Wir wollen so schnell wie möglich weiter Hilfe leisten, was wir gemeinsam mit Woord en Daad und dem niederländischen Hilfswerk tun. Unter anderem werden wir Matratzen, Töpfe und Pfannen sowie sanitäre Anlagen zur Verfügung stellen. Genau dafür wurde ZOA gegründet: Nothilfe an Krisenpunkten zu leisten. Als ich ging, kam eine äthiopische Frau am Flughafen auf mich zu und sagte: „Helfen Sie uns! Die Dinge laufen hier völlig schief, Sie sind unsere einzige Hoffnung!“ Und wir sind da. Auch für die Menschen in Tigray.“

Für uns bei ZOA kennt die Hilfe keine Grenzen: Wir helfen Opfern von Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten auf der ganzen Welt. Das fängt bei der Soforthilfe an, aber wir bleiben auch dann noch, bis die Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen.