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Gewalt im Sudan: Marije Sas trifft ein kleines Mädchen im Sudan

Gewalt im Sudan – doch das Leben geht weiter

Gewalt, extreme Dürre und Überschwemmungen gehören hier zum Alltag. Und doch muss das Leben weiter gehen. Auch im Sudan. Die Niederländerin Marije Sas berichtet über das tägliche Leben in der Hauptstadt Khartum.

MARIJE SAS ÜBER DAS LEBEN IM SUDAN

Das Leben zwischen den Demonstrationen 

Sie hatten sich kaum in der Hauptstadt Khartum eingelebt, als ein Militärputsch stattfand. Ein Jahr später ist die Situation immer noch angespannt. Die Gewalt im Sudan ist alltäglich und doch geht das Leben weiter. Wie kann eine niederländische ZOA-Familie unter diesen Situationen im Sudan leben? Marije Sas erzählt.

Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. An jenem Morgen, als ich zur Tür hinausging, um die Kinder zur Schule zu bringen. Es ist jetzt ein Jahr her. Ich konnte das Ende der Straße nicht mehr erkennen, weil dort dicke, schwarze Rauchschwaden hingen.

Überall gab es Straßensperren aus Steinen und brennenden Reifen. Ich hörte Trommeln schlagen. Die Menschen saßen oder gingen in Gruppen zusammen. Ein Mann erklärte mir, dass es in dieser Nacht einen Militärputsch gegeben habe. Überall in der Stadt kam es zu heftigen Demonstrationen.

Das ging über Wochen so weiter. Die Schule war geschlossen und das Internet und das Telefonsystem waren ausgefallen. Die Lage im Land ist nach wie vor unruhig, ein- bis zweimal pro Woche finden Demonstrationen in der Stadt statt.

Gewalt im Sudan: Marije Sas

Mehr als 100 Menschen sind seitdem gestorben. Doch das tägliche Leben scheint trotz der Unruhen weiterzugehen.

Der Militärputsch im Sudan im vergangenen Jahr machte auch in Europa Schlagzeilen. Das kommt nicht oft vor. Wenn dies der Fall ist, sind die Bilder oft sehr intensiv. Die Bilder des Sudan waren gefüllt von Gewalt, extremer Dürre und Überschwemmungen.

Bilder, die ich selbst, um ehrlich zu sein, hauptsächlich vom Bildschirm her kenne. Ich lebe jetzt seit über einem Jahr in der Hauptstadt Khartum und weiß, wie anders das Bild ist, wenn man am täglichen Leben hier teilnimmt. Ich gehe in Frieden durch die Straßen. Ich grüße meine Nachbarn in dem kleinen Laden um die Ecke, in den wenigen Worten Arabisch, die ich kenne. Mein Sohn spielt Ball mit den Jungs auf dem Platz vor unserem Haus.

Wenn ich mit meinen sudanesischen Freunden Kaffee trinke, sprechen wir zwar über die Probleme des Landes. Aber noch häufiger geht es in unseren Gesprächen um die Erziehung unserer Kinder oder darum, was wir am Wochenende gemacht haben. An einem der kleinen Strände entlang des Nils treffen wir andere Familien, die wie wir gemeinsam picknicken.

Gewalt im Sudan: Straßenszene in Khartum während des Militärputsches

Ich wohne hier, ich lebe hier. Was ich in erster Linie sehe, sind nicht die Probleme im Land oder die Gewalt, sondern die Menschen im Sudan. Doch ich sehe auch mit eigenen Augen, dass das Leben für viele Sudanesen nicht einfach ist. Die Gesundheitsversorgung liegt weit unter dem Standard. Die Preise sind in die Höhe geschossen, in vielen Bereichen um bis zu 200 Prozent. Die klimabedingten Überschwemmungen haben in den letzten Monaten erneut Tausende obdachlos gemacht. In verschiedenen Teilen des Landes kommt es regelmäßig zu Gewaltausbrüchen, die viele Menschenleben fordern und Zehntausende in die Flucht treiben.

Vor einiger Zeit wurden wir von sudanesischen Freunden auf ihr Boot mitgenommen. Wir hatten einen schönen Nachmittag zusammen. Am Strand der Tuti-Insel am Nil gingen wir von Bord. Überall liefen und spielten Kinder. Schon am Tag danach konnten wir das Haus nicht mehr verlassen, weil es zu gewalttätigen Demonstrationen kam. Das war ein riesiger Kontrast.

Ich fühle mich als Teil der Situation im Sudan, weil ich hier lebe und inzwischen so viele Menschen kenne. Aber genauso oft fühle ich mich wie eine völlige Außenseiterin. Ich bin keine Sudanesin. Ich sehe die Gewalt nur selten mit eigenen Augen und erlebe die Folgen nicht so direkt wie viele Sudanesen. Das fühlt sich manchmal besonders ungerecht an.

Fluss im Sudan

Andererseits bin ich der Meinung, dass man das tun sollte, was man kann, und zwar an dem Ort, an dem man sich im Leben gerade befindet. Für uns ist das eben gerade der Sudan.

Harmen, mein Mann, ist Landesdirektor von ZOA im Sudan. Er kehrte letzte Woche von einer mehrtägigen Reise nach Darfur zurück und berichtete begeistert von einem Sanddamm, der dort mit Hilfe von ZOA gebaut wurde. Der Damm sorgt dafür, dass das Flussgebiet während der Regenzeit umgeleitet wird. Dadurch wurde eine riesige Fläche trockenen Landes in landwirtschaftliche Nutzfläche umgewandelt, die jetzt in voller Blüte steht. Seine Begeisterung war ansteckend. Dadurch wurde mir wieder klar, warum wir überhaupt hierhergekommen sind und wieso es sich lohnt, zu bleiben.

Sanddamm im Sudan

Marije Sas lebt, schreibt und kümmert sich um ihre Kinder in Khartum. Sie ist mit Harmen verheiratet, dem Landesdirektor von ZOA im Sudan.

Fotos: Lieuwe Siebe de Jong, Harmen Sas

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Für uns bei ZOA kennt die Nächstenliebe keine Grenzen: Wir helfen Opfern von Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten auf der ganzen Welt. Das fängt bei der Soforthilfe an, aber wir bleiben auch dann noch, bis die Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen.

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