Junge Männer greifen oft zu Gewalt, weil sie glauben, dass dies ihre einzige Option ist. Denn in der ländlichen Kultur des Südsudan ist die Ehe sehr wichtig. Traditionell muss die Familie des angehenden Bräutigams der Familie der Braut eine Mitgift in Form von Rindern anbieten. Während in der Vergangenheit die Anzahl der Kühe eher bescheiden und daher erschwinglich war, ist die Mitgift inzwischen sehr hoch und von immer weniger Familien tragbar. Joop Teeuwen, der ZOA-Landesdirektor im Südsudan, erklärt: „Die Folge ist, dass die jungen Männer Kühe von anderen Familien stehlen. Aufgrund des Konflikts im Land sind Waffen im Überfluss vorhanden, was den Viehdiebstahl immer gewalttätiger macht. Sind die Kühe erst einmal gestohlen, bleibt den betroffenen Familien nur noch eine Möglichkeit: Rache!“
„Wir sind des Krieges müde“ - Zeichen der Hoffnung im Südsudan
Seit der Südsudan 2011 unabhängig wurde und damit zum jüngsten Staat der Welt erklärt wurde, ist das Land von Konflikten geplagt.
SÜDSUDAN, DER JÜNGSTE STAAT DER WELT
Hoffnung für Südsudan
Es gibt nicht nur Kämpfe zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen, die entweder mit der Regierung oder der Opposition verbunden sind, sondern auch eine Vielzahl von Konflikten auf Gemeindeebene, die von Viehdiebstahl bis zur Entführung von Kindern reichen. Doch selbst inmitten der Gewalt finden die Menschen den Mut, sich für den Frieden im Südsudan einzusetzen.
Ethnische Grenzen im Konflikt: „Du gehörst nicht zu uns!“
Wie kann man einen solchen Kreislauf der Gewalt durchbrechen? Um einen Beitrag zum Frieden leisten zu können, muss man die Dynamik von Konflikten verstehen. Deshalb führte ZOA eine Konfliktanalyse in Pibor durch, einer Region in der Mitte des Landes, die einen besonders hohen Anteil solcher gemeinschaftsbasierter Gewalt aufweist. Ziel war es, herauszufinden, was die Ursachen sind und vor allem, wie diese schreckliche Gewalt verringert werden kann.
Ein Großteil der Gewalt hat mit der ethnischen Zugehörigkeit zu tun, wie ein junger Viehhirte in Pibor sagte: „Bei Meinungsverschiedenheiten entscheiden sich die Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit für eine Seite, ohne zu fragen, wer Recht hat und wer nicht“. Teeuwen sieht aber auch Hoffnungsschimmer: „Doch viele Menschen äußerten Konfliktmüdigkeit. Eine Bäuerin aus Pibor sagte zu unseren Mitarbeitern: ‚Wir betreiben hier Landwirtschaft umsonst, denn unsere Kinder sterben jung in diesen sinnlosen Kämpfen‘. Meine Kollegen trafen sogar auf eine Gruppe von Frauen, die erzählten, dass sie einen jungen Mann vor dem Tod bewahrten, indem sie sich schützend um ihn stellten.“
Pläne zur Friedensförderung
Teeuwen ist fest davon überzeugt, dass die Friedensförderung zu den größten Bedürfnissen im Südsudan gehört. Das Team von ZOA im Südsudan arbeitet daher eng zusammen mit den Menschen, die vom Konflikt erschöpft sind. ZOA beabsichtigt, die Friedenskomitees in Pibor wieder zu stärken. Denn diese Gruppen von männlichen und weiblichen Dorfältesten befassten sich bereits in der Vergangenheit mit Konflikten, die die Gemeinden betreffen. Darüber hinaus plant ZOA, gemeinsam mit den Gemeinden so genannte ‚by-laws‘ zu erstellen. Durch diese Nebengesetze werden sich die Gemeinden verpflichten, eine geringere Anzahl von Kühen als Mitgift zu akzeptieren, um die Heirat erschwinglicher zu machen. Auf diese Weise will ZOA mit den lokalen Gemeinschaften zusammenarbeiten und kleine Schritte auf dem Weg zu einem friedlicheren Südsudan unternehmen.
Folgen von COVID-19
Inzwischen sind die Folgen von COVID-19 auch in der Situation im Südsudan zu spüren. Die offizielle Zahl der COVID-19-Fälle im Südsudan beläuft sich auf etwas mehr als 2.500 und 48 Todesfälle, aber es ist zweifelhaft, ob dies ein realistisches Abbild der Situation ist. Es wurden sehr restriktive Maßnahmen ergriffen: Kirchen und Schulen sind seit März geschlossen, die Landgrenzen wurden abgeriegelt, mit Ausnahme von Lastwagen, da das Land zum Überleben fast vollständig von Importen abhängig ist. ZOA hat damit begonnen, eine COVID-19-Botschaft aufzunehmen, wenn Versammlungen und Verteilungen stattfinden, doch die Zahl der Menschen, die sich gleichzeitig versammeln, ist begrenzt. All dies macht die humanitäre Arbeit in diesem ohnehin schon schwierigen Umfeld noch komplizierter.
Für uns bei ZOA kennt die Nächstenliebe keine Grenzen: Wir helfen Opfern von Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten auf der ganzen Welt. Das fängt bei der Soforthilfe an, aber wir bleiben auch dann noch, bis die Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen.